Porsche wagt in den frühen 1970er-Jahren zunächst im Rennsport den Schritt zur Leistungssteigerung durch Abgasturbolader. Die Idee gewinnt. In wenig mehr als zwei Jahren gelingt dann der Technologietransfer vom exotischen Sportprototyp in den Porsche 911. Während der nächsten drei Jahrzehnte erringen das Werksteam und Motorsportkunden mit Renn- und Rallyeversionen des 911 Turbo zahlreiche Erfolge, wo immer auf Seriensportwagen basierte Gran Turismo starten. Auch im Prototypensport, in der Formel 1 und im Rallyesport steht Turbo hinter den Erfolgen von Porsche. 17 der 19 Gesamtsiege in Le Mans gelingen mit Turbomotoren. Turbotriebwerke von Porsche siegen in der Formel-1-Weltmeisterschaft und beim Rallye-Marathon von Paris nach Dakar. Auch bei den jüngsten Erfolgen in der Langstreckenweltmeisterschaft WEC und in der nordamerikanischen IMSA GTP-Meisterschaft mit hochmodernen Hybridantrieben setzt Porsche auf Turbo-Power.

 

Die Anfänge: 1.000 PS für Nordamerika

Sommer 1970. Porsche hat erstmals das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen und peilt bereits eine weitere Herausforderung an. Vier Wochen nach dem Erfolg beim größten Langstreckenrennen der Welt fällt die Entscheidung, für das verstärkte Engagement im nordamerikanischen Canadian American Challenge Cup – kurz CanAm – neben einem großen Saugmotor ein Triebwerk mit Abgasturbolader zu erproben.

Die CanAm ist eine der populärsten Rennserien Nordamerikas. Saugmotoren mit über acht Liter Hubraum und rund 588 kW (800 PS) in den leichten, offenen Prototypen sind das Maß der Dinge. Mit dem Typ 917 verfügt Porsche zwar über einen in der Weltmeisterschaft höchst erfolgreichen Rennsportwagen. Für Siege in der CanAm allerdings reichen die 426 kW (580 PS) seines 4,5-Liter-Zwölfzylindermotors kaum aus. Das zeigen die Ergebnisse der dort privat eingesetzten, offenen Porsche 917/10 Spyder.

Hans Mezger als führender Motorkonstrukteur hat auf der Basis des von ihm für den 917 gezeichneten Motors ein luftgekühltes 16-Zylinder-Triebwerk entworfen. Zugleich laufen bei Porsche auf Initiative des Entwicklungs- und Rennsportchefs Ferdinand Piëch erste Versuche zur Leistungssteigerung per Abgasturbolader. Mezger, Piëch und Valentin Schäffer als Leiter der Rennmotorentwicklung treiben die Verwirklichung der Idee „Turbo“ für den Motorsport voran.

 

Drucksache: Schnelle Reaktion gefragt

Die Leistungssteigerung mittels Turbolader ist in Schiffsmotoren, Lkw und auch bei den Rennmotoren für die Ovalstrecken in den USA seit langem bewährt. Ein Turbinenrad im Abgasstrom rotiert mit sehr hoher Drehzahl und ist über eine Achse mit dem Verdichterrad in der Druckleitung des Motors verbunden. Das Verdichterrad presst Luft in die Brennkammern. Bessere Befüllung bedeutet mehr Leistung. Die amerikanischen Rennteams wählen möglichst große Lader für maximal hohen Druck, eventuell überschüssige Ladeluft wird über ein Ventil einfach abgeblasen. Da bei Rennen auf Ovalkursen kaum Lastwechsel anfallen, ist das stark verzögerte Hochdrehen des großen Turboladers und damit der langsame Leistungsaufbau nach einer Verringerung der Motordrehzahl unproblematisch.

Anders auf den winkligen Strecken der CanAm: Ständiges Bremsen und Beschleunigen erfordern möglichst verzögerungsfrei hochdrehende Turbolader. Schäffer entdeckt in den USA den Ansatz einer Lösung: eine noch simple abgasseitige Ladedruckregelung. Im Teillast- oder Schubbetrieb wird unerwünschter Überdruck verhindert, indem überschüssige Auspuffgase nicht durch die Abgasturbine, sondern über eine Entlastungsleitung („Bypass“) und ein Ventil („Wastegate“) nach außen geleitet werden. Diese Anordnung ermöglicht es, den Ladedruck zu limitieren und auf konstanter Höhe zu halten, ohne überschüssige Ladeluft abzublasen. Folglich kann der Turbolader kleiner ausfallen. Die rotierenden Massen werden geringer, das Ansprechverhalten besser.

Auf Basis dieser Idee konstruiert Schäffer ein kleineres, leichteres, automatisch arbeitendes und intensiver gekühltes Wastegate. Denn im Abgastrakt des 917-Motors herrschen Temperaturen bis 1.100 Grad Celsius, während sie im Auspuff der amerikanischen Methanol-Rennmotoren lediglich 350 Grad Celsius betragen. Ende Juli 1971 dreht ein Porsche 917/10 Spyder mit Turbomotor in Weissach die ersten Runden. Für einen spontaneren Leistungsaufbau hat Porsche statt eines großen Laders auf jeder Zylinderbank einen kleineren Turbo installiert.

Zeit für die Entscheidung: 16-Zylinder-Sauger oder 12-Zylinder Turbo? Der Sauger leistet 555 kW (755 PS), wiegt 320 Kilogramm und ist 25 Zentimeter länger als der 12-Zylinder. Der kompaktere 4,5-Liter-Turbo mobilisiert auf Anhieb 625 kW (850 PS) bei einem Gewicht von 270 Kilogramm. Kein Zweifel: Der Weg heißt Turbo.

 

Blitzstart in den USA: Porsche Turbo meisterhaft

Beim ersten Start des Porsche 917/10 Spyder mit einem Turbotriebwerk auf der Strecke Mosport Park in Kanada am 11. Juni 1972 beträgt der Hubraum des 12-Zylinder-Motors fünf Liter, die Leistung kletterte auf 735 kW (1.000 PS). Der vom Porsche-Partnerteam Penske Enterprises eingesetzte 917/10 Spyder gewinnt 1972 sechs der neun Rennen, der Penske-Pilot George Follmer holt die Meisterschaft.

Für 1973 legt Porsche nach. Der Turbomotor des 917/30 Spyder gibt aus 5,4 Liter Hubraum 809 kW (1.100 PS) ab. Acht Rennwochenenden stehen im Kalender, das Penske Team feiert sechs Siege und den erneuten Gewinn des CanAm Cup, diesmal durch Mark Donohue. In Europa gewinnt der Finne Leo Kinnunen auf einem Porsche 917/10 Spyder überlegen die Interserie als Pendant zur CanAm.

Als der Veranstalter der CanAm beschließt, die Vorherrschaft des Porsche 1974 durch ein Verbrauchslimit für Turbomotoren zu beenden, entwickeln Schäffer, Mezger und ihre Teams entsprechende technische Lösungen. Porsche allerdings erwartet weitere Reglement-Unsicherheit und steigt aus. Der 917/30 verabschiedet sich mit einem Weltrekord von Amerika: Auf dem Talladega Superspeedway dreht Donohue im August 1975 drei Runden mit einem Schnitt von 355,848 km/h. Der Rekordmotor liefert 904 kW (1.230 PS).

 

Nach der Initialzündung: Siegeszug der Idee „Turbo“ im Porsche 911

Auch nach dem Ende des CanAm-Engagements setzt Porsche weiter auf Turbo – in Rennversionen des 911 und in speziell entwickelten Prototypen, die nicht auf Serienfahrzeugen basieren. Am 24. März 1974 dreht der exklusiv für den Werkseinsatz aufgebaute Porsche 911 Carrera RSR Turbo 2.1 beim Vortraining in Le Mans fauchend die ersten Runden. Der 2,1-Liter-Sechszylinder-Boxermotor im Heck des ersten Rennwagens mit Turbolader in Le Mans verfügt über Ladeluftkühlung: Die auf dem Weg vom Lader in die Brennräume gekühlte Luft ist dichter und enthält entsprechend mehr des für die Leistung entscheidenden Sauerstoffs. 368 kW (500 PS) gibt der Sechszylinder-Boxer ab. Der erste Elfer mit Turbolader beendet das 24-Stunden-Rennen sensationell auf dem zweiten Gesamtrang. Porsche schließt das Jahr in der Weltmeisterschaft auf dem dritten Platz ab. Die Erkenntnisse von der Rennstrecke fließen in die Entwicklung des 911 Turbo für die Straße ein. Der 1974 präsentierte Serien-911 Turbo verfügt ab 1977 ebenfalls über Ladeluftkühlung.

 

Rekord-Weltmeister: Porsche 935

Mit dem Jahr 1976 und einem neuen Reglement für die Marken-WM beginnt die Geschichte der Porsche 934 und Porsche 935 auf Basis der sogenannten Elfergeneration G-Serie. Als reglementsbedingt seriennaher Rennwagen wird der 934 vom Dreilitermotor des 911 Turbo angetrieben, der hier unter anderem dank eines erhöhten Ladedrucks rund 357 kW (485 PS) leistet. Das Regelwerk schreibt ein Mindestgewicht von 1.120 Kilogramm vor. Das sind 20 Kilogramm weniger als der serienmäßige 911 Turbo wiegt. So verfügt der von Kunden weltweit eingesetzte 934 kurioserweise sogar über elektrische Fensterheber. 1976 und 1977 fertigt die Rennabteilung insgesamt rund 50 Exemplare für den Kundensport.

Der Porsche 935 gilt bis heute als erfolgreichste und vielseitigste Rennversion des 911 Turbo. Gemeinsam ist allen Generationen dieses Produktionsrennwagen der Sechszylinder-Boxermotor auf Basis des Elfer-Aggregats. Die wichtigsten Erfolge dieses stärker modifizierten Elfers: Von 1976 bis 1979 gewinnt Porsche mit dem Fahrzeug ununterbrochen die Marken-Weltmeisterschaft, in den USA erringen Kundenteams von 1978 bis 1982 die Meistertitel der IMSA-GT-Serie. Von 1978 bis 1983 ist der 935 bei den 24 Stunden von Daytona unschlagbar. 1979 gelingt einem Kundenteam der Gesamtsieg in Le Mans. Rollt der 935 im Jahr 1976 mit einem 2,85-Liter-Einzelturbomotor und 434 kW (590 PS) an den Start, so gibt ein Biturbotriebwerk ein Jahr später bereits 463 kW (630 PS) ab. 1977 demonstriert Porsche mit dem 935 „Baby“ Ingenieurskunst in den kleinen Hubraumklassen. Sein in drei Monaten entwickelter 1,4-Liter-Turbomotor entwickelt 279 kW (380 PS). Den Leistungsgipfel stellt der 935/78 „Moby Dick“ von 1978 dar, dessen 3,2-Liter Biturbomotor mit erstmals wassergekühlten Mehrventil-Zylinderköpfen bis zu 621 kW (845 PS) abgibt. Für den Werks- und Kundeneinsatz entstehen in Weissach rund 30 Exemplare des 935. Auf der Basis des erfolgreichen Rennwagens konzipieren Kundenteams eigene Versionen.

 

Porsche 959: Erfolg in der Wüste und in Le Mans

Noch bevor der Porsche 959 als Supersportwagen 1986 auf den Straßen Maßstäbe setzt, schickt Porsche den Hightech-Allradler zur Extremerprobung in die Wüste. Im Januar 1986 erreichen drei stark modifizierte 959 nach rund 14.000 Kilometern durch Afrika das Ziel der Rallye Paris-Dakar auf den Plätzen eins, zwei und sechs. Im Heck arbeitet ein 294 kW (400 PS) starker 2,85 Liter Biturbomotor mit wassergekühlten Zylinderköpfen. Neu ist die Registeraufladung: Ein Turbo erhält bei niedriger Drehzahl den gesamten Abgasstrom, der zweite Lader schaltet sich wie ein Nachbrenner im höheren Drehzahlbereich zu. Mit dem siebten Gesamtrang beweist im selben Jahr ein rund 500 kW (680 PS) starker Porsche 961 als Rennversion des 959 in Le Mans Haltbarkeit unter Dauerbelastung. Dieses Einzelstück ist der erste Allradler, der bei dem 24-Stunden-Rennen das Ziel erreicht.

 

Vom 911 Turbo 3.3 bis zum 911 GT2 RS: Einzel-Exoten und Breitensport

In den USA gewinnt Hurley Haywood mit dem auf Basis des 911 Turbo S aufgebauten und nahezu serienmäßigen 911 Turbo 3.3 IMSA Supercar die IMSA Supercar Meisterschaft 1991. Im Jahr 1993 wird Hans-Joachim Stuck dort zum Meister gekrönt. Ein nun auch in der Serie auf 3,6 Liter vergrößerter und hier 272 kW (370 PS) starker Einzelturbomotor treibt den 911 Turbo des Bayern an.

Während der Elfer für die IMSA laut Reglement 1.430 Kilogramm wiegen muss, darf der zunächst exklusiv für den Werkseinsatz entstandene 911 Turbo S Le Mans GT in Gran-Turismo-Rennserien mit nur 1.000 Kilogramm an den Start rollen. Sein 3,16-Liter-Biturbo gibt mit den vorgeschriebenen Restriktoren 353 kW (480 PS) ab. Porsche gewinnt mit dem Turbo S Le Mans GT auf Anhieb die GT-Klasse beim 12-Stunden-Rennen von Sebring im März 1993.

Im Jahr 1995 legt Porsche die Kleinserie eines besonders starken und leichten Elfers der Generation 993 auf. Der straßenzugelassene 911 GT2 ist maßgeschneidert als Basismodell für den Rennsport mit Gran-Turismo-Fahrzeugen und verfügt anders als der 911 Turbo lediglich über Heckantrieb. In der Rennversion leistet sein zunächst 3,6 Liter großer Biturbo-Sechszylindermotor 331 kW (450 PS), die letzten Entwicklungsstufen mobilisieren im 911 GT2 Evo aus 3,8 Liter Hubraum bis zu 515 kW (700 PS). Der 911 GT2 wiegt reglementsbedingt zirka 1.100 Kilogramm. Kundenteams setzen die etwa 80 gebauten Rennwagen weltweit erfolgreich ein. Mit dem Ende der Elfergeneration 993 endet auch die Entwicklung der Rennversionen des 911 GT2. Erst mit der Generation 991 ab 2018 entstehen 200 Exemplare des 911 GT2 RS Clubsport. Wie der Name verrät, ist das 1.390 Kilogramm schwere und 515 kW (700 PS) starke Fahrzeug für den Breitensport konzipiert.

 

Die Evolution geht weiter: Wasserkühlung, Motor vor der Hinterachse

Porsche tritt 1996 in einer internationalen GT-Meisterschaft und in Le Mans mit dem 911 GT1 an. Sein bewährter, voll wassergekühlter 3,2-Liter-Biturbomotor leistet 441 kW (600 PS). Das Sechszylinder-Boxertriebwerk ist vor der Hinterachse platziert – ein Novum im Porsche 911. Die zwei 911 GT1 des Werks gewinnen beim wichtigsten Rennen des Jahres in Le Mans überlegen ihre Klasse und fahren auf die Gesamtränge zwei und drei. Im darauffolgenden Jahr müssen beide 911 GT1 '97 des Werksteams mit technischen Problemen die Segel streichen. 1998 tritt Porsche mit einer völlig überarbeiteten Version des 911 GT1 an. Für das Chassis und die Karosserie des 911 GT1 '98 setzt Porsche erstmals auf Kohlefaser-Verbundstoffe. Die Aerodynamik ist grundlegend überarbeitet. Vor der Hinterachse allerdings arbeitet wieder der 3,2-Liter-Biturbomotor. Die beiden 911 GT1 '98 des Werksteams fahren zum Doppelsieg.

Mit dem Ende der 1990er-Jahre verschiebt sich der Schwerpunkt im internationalen Gran-Turismo-Sport auf Rennwagen mit Saugmotoren. So kommt die Historie des 911 Turbo im Top-Motorsport mit dem Triumph von Le Mans einstweilen zu ihrem Ende.

 

Rennsportwagen, Prototyp, Monoposto: Turbo-Power für Exoten

Speziell entwickelte und meist in einstelliger Stückzahl gebaute Rennsportwagen, Prototypen und Monoposti in den Top-Kategorien des Motorsports repräsentieren mit zukunftweisenden und noch im experimentellen Stadium befindlichen Technologien das Limit des jeweils technisch Machbaren. Auch beim Antrieb dieser extremen Fahrzeuge setzt Porsche Turbomotoren ein. Für die Formel 1 und für den Monoposto-Sport in den USA entstehen Mitte bis Ende der 1980er-Jahre spezielle und teils außerordentlich erfolgreiche Turbo-Triebwerke.

Bis in die 1990er-Jahre basieren die Triebwerke in Rennsportwagen und Prototypen auf Entwicklungsstufen des klassischen Elfermotors. Seit das Werksteam 2014 in den Spitzensport mit Prototypen zurückkehrte, treiben Hybridsysteme mit V-Turbomotoren die Rennwagen an.

 

Turbo-Start im Rennsportwagen: der Porsche 936 Spyder

Zwei Jahre nachdem Porsche mit dem 911 Carrera RSR Turbo 2.1 das Turbo-Zeitalter in Le Mans einläutete, gelingt mit eben jenem Sechszylinder-Boxertriebwerk 1976 der erste Gesamtsieg eines Turbomotors beim berühmtesten 24-Stunden-Rennen der Welt. Das luftgekühlte 2,1-Liter-Aggregat verfügt über einen Turbolader mit Ladeluftkühlung und treibt mit 382 kW (520 PS) den für die Sportwagen-Weltmeisterschaft entwickelten 936/76 Spyder an. Der offene Rennwagen wiegt 700 Kilogramm und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 360 km/h. Porsche gewinnt mit dem leichtgewichtigen Zweisitzer im selben Jahr überlegen die Sportwagen-Weltmeisterschaft.  Ein Jahr später kehrt das Werk mit dem 936 Spyder nach Le Mans zurück. Dank Biturbotechnik ist die Leistung um 14,7 kW (20 PS) auf 397 kW (540 PS) gestiegen, die Fahrbarkeit des Motors ist erheblich verbessert. Das Werksteam erringt erneut den Gesamtsieg. 1978 debütiert im 936 eine Vierventilversion des 2,1-Liter-Triebwerks mit wassergekühlten Zylinderköpfen. Nun stehen den Piloten die 426 kW (580 PS) eines noch agileren Biturbomotors zur Verfügung. Wie im Jahr darauf verhindern technische Probleme aber den Gesamtsieg. 1981 ist der 936 Spyder zurück in Le Mans und letztmals im Werkseinsatz unterwegs. Vor der Hinterachse sitzt ein 2,65 Liter großer und 456 kW (620 PS) starker Turbomotor, den Porsche ursprünglich für den Einsatz in der US-amerikanischen IndyCar-Serie entwickelt hat. Zwar kam die US-Mission nicht zustande, der Sechszylinder-Biturbo aber ist gut für den Gesamtsieg Nummer drei des 936 Spyder, der sich mit diesem Erfolg von Le Mans verabschiedet.

 

Rekordsieger: die Prototypen 956, 962 IMSA und 962 C

Eine Revolution in der aerodynamischen Gestaltung, stetige Weiterentwicklung auf der Motorseite und eine einzigartige Erfolgsbilanz: So lässt sich die Geschichte des Sportprototyps umreißen, der als Porsche 956, 962 IMSA und 962 C zwischen 1982 und 1987 sechsmal die 24 Stunden von Le Mans gewinnt, für fünf Fahrer-, vier Marken- und eine Teamweltmeisterschaft gut ist und etliche nationale Meisterschaften erringt.

Der speziell geformte Unterboden des 956 saugt den knapp über 800 Kilogramm schweren Rennwagen bei der Fahrt an die Streckenoberfläche. Dieser Ground-Effect ermöglicht sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten, stabilisiert den Geradeauslauf und verkürzt Bremswege. Für die Motorisierung vertraut Porsche zunächst auf den im 936 siegreichen, 456 kW (620 PS) starken 2,65-Liter-Biturbo. Die neue Positionierung der Turbolader nahe an den Zylinderbänken verkürzt die Wege der Ladeluft und verbessert so das Ansprechverhalten. Mit Blick auf das in der Weltmeisterschaft erstmals geltende Verbrauchslimit widmet sich Porsche vor allem der Kraftstoffökonomie des Triebwerks. Hier gelingen dank der neuartigen, vollelektronischen Motorsteuerung „Motronic“ von Bosch, mit der Porsche schon 1979 für das geplante IndyCar-Projekt experimentiert hatte, große Fortschritte. Neu ist auch eine Messdatenaufzeichnung, die Parameter wie Drehzahl, Ladedruck und Gaspedalstellung für die Justierung der Kennfelder für Einspritzung und Zündung registriert. Ab dem Herbst 1984 experimentiert die Rennabteilung mit dem Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK), das sehr schnelle Gangwechsel ermöglicht, ohne den Kraftfluss zu unterbrechen und damit auch die Turbolader auf hoher Drehzahl hält. Ab 1987 funktioniert das System zuverlässig. Der 956 ist im Langstreckensport das Maß der Dinge: drei WM-Titel für Porsche und Porsche-Fahrer, vier Gesamtsiege in Le Mans, Meistertitel in Europa und Japan.

In einem bis heute einzigartigen Sportprogramm stellt Porsche den 956 in größerer Stückzahl auch für Kunden her, die das Fahrzeug höchst erfolgreich einsetzen. Bald signalisieren Teams aus der amerikanischen IMSA-Meisterschaft Interesse an dem Rennprototypen, und Porsche entwickelt für 1984 den 962 IMSA. Das Reglement erfordert technische Änderungen. Lag beim 956 die Pedalerie vor der Vorderachse, so ist sie aus Sicherheitsgründen nun hinter der Vorderachse platziert. Der Motor ist luftgekühlt und verfügt lediglich über einen Turbolader. In Zusammenarbeit mit Valentin Schäffer passt der amerikanische Spezialist und Porsche-Partner Andial das Triebwerk für die winkligen US-Kurse an: von 2,8 auf 3,2 Liter Hubraum vergrößert und mit einem speziellen Turbolader sowie einer modifizierten Elektronik ausgestattet, entwickelt der Turbomotor 500 kW (680 PS) und ein hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl. Der 962 IMSA für Amerika erweist sich als guter Wurf: Von 1985 bis 1988 gewinnt Porsche die Herstellerwertung in Folge, 1985, 1986 und 1987 geht die Fahrerwertung an Porsche-Piloten, beim 24-Stunden-Klassiker in Daytona fährt der 962 IMSA zu insgesamt fünf Gesamtsiegen.

Für die Weltmeisterschaft mit Rennprototypen entsteht auf Basis des 962 IMSA der Porsche 962 C, der neben dem bewährten 2,65-Liter-Motor nun auch mit einem voll wassergekühlten Dreiliter-Biturbo-Triebwerk eingesetzt wird. Während die oberste internationale Motorsportbehörde den zulässigen Verbrauch der Turbomotoren für 1985 um weitere 15 Prozent verringert, steigt die Leistung des neuen Biturbo auf 515 kW (700 PS). Porsche, Porsche-Fahrer und Teams gewinnen 1986 erneut alle WM-Titel und die 24 Stunden von Le Mans. 1987 geht die Erfolgsstory des 962 C mit einem Sieg in Le Mans zu Ende. Womit die Geschichte des 962 noch nicht ganz vorbei ist. 1994 hat Porsche einen der Prototypen auf der Basis einer einzigen Straßenversion für Le Mans als „Gran Turismo“ in die Startaufstellung gebracht. Der erfolgreiche Dreiliter-Biturbo leistet trotz der vorgeschriebenen Lufteinlass-Restriktoren noch immer 500 kW (680 PS). Die reichen den beiden 962 Dauer Le Mans GT zu den Plätzen eins und drei.

 

TWR-Porsche WSC Spyder und LMP1-98: mit bewährter Turbo-Power

Das Werksteam setzt 1996 den Fokus auf den Porsche 911 GT1, während das Kundenteam um den ehemaligen Porsche-Rennfahrer Reinhold Joest zwei mit Werksunterstützung vorbereitete, offene TWR-Porsche WSC-Spyder in Le Mans an den Start bringt. Angetrieben wird der Spyder von einem alten Bekannten. Es ist der Dreiliter-Doppelturbo des 962 C, der mit den vorgeschriebenen Restriktoren im Lufteinlass nun 397 kW (540 PS) generiert. Der WSC Spyder gewinnt das Rennen und kann den Erfolg 1997 wiederholen. Für ein neues Regelwerk technisch verändert, wird der Spyder 1998 als LMP1-98 in Le Mans von der hubraumstärksten Version des klassischen Boxer-Biturbo angetrieben. Einlass-Restriktoren beschränken die Topleistung des 3,2-Liter-Biturbo allerdings auf 390 kW (530 PS). Das Rennen der beiden LMP1-98 endet vorzeitig mit technischen Problemen und einem Unfall.

 

Turbo in Hybridsystemen: Rennstrecke als Versuchslabor

Zu Beginn der 2000er-Jahre legt Porsche den Schwerpunkt zunächst auf Motorsport mit seriennahen Derivaten des 911, um ab 2004 erfolgreich in die kleineren Klassen des Prototypensports zurückzukehren. 2014 ist dann erstmals wieder ein Porsche in der Topklasse der Langstrecken-WM dabei. Hier starten Prototypen mit Hybridantrieb. Porsche setzt für den 919 Hybrid auf einen V4 mit zwei Liter Hubraum, der die Hinterachse antreibt. Der kompakte Motor stellt mit der bei Porsche entwickelten und inzwischen bewährten Benzindirekteinspritzung und der Variablen Turbinengeometrie (VTG) den Spitzenstand der Technik dar. Mittels beweglicher Leitschaufeln verändert die VTG den Querschnitt des Abgasstroms je nach der Motordrehzahl und stellt die für jeden Fahrzustand beste Größe des Turboladers dar. Rund 368 kW (500 PS) leistet der Verbrenner. Mit etwa 294 kW (400 PS) treibt eine E-Maschine phasenweise die Vorderachse an. Die zugehörige Lithium-Ionen-Batterie erhält ihre Energie einerseits durch Bremsrekuperation, andererseits durch eine in der Langstrecken-WM nur von Porsche eingesetzte Technik: Ein zweiter Turbolader im Abgasstrom treibt einen Generator an. Mit dem 919 Hybrid gewinnt Porsche 2015, 2016 und 2017 Le Mans und alle in der Langstrecken-WM vergebenen Titel.

Ab 2020 läuft die Entwicklung des Porsche 963 für die höchsten Klassen der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC und des US-amerikanischen IMSA GTP-Championats. Im Sinne einer großen Leistungsdichte und Kosteneffizienz schreibt das Reglement zahlreiche einheitliche Komponenten wie etwa das Hybridsystem oder das Getriebe vor.  Auch der aerodynamische Abtrieb und der Energieverbrauch müssen in vorgeschriebenen Fenstern liegen.

Im Hinblick auf den Antrieb hingegen herrscht relative Freiheit. Der Verbrenner muss mindestens 180 Kilogramm wiegen. Zusammen mit dem elektrischen Boostsystem dürfen 520 kW (707 PS) nicht überschritten werden. Porsche greift auf den leistungsstarken, effizienten 4,6-Liter-V8 des Supersportwagen 918 Spyder zurück, kombiniert das Aggregat mit dem Einheits-Hybridsystem und ergänzt den Saugmotor um zwei kleine Turbolader. Mit vergleichsweise geringem Ladedruck werden knapp über 515 kW (700 PS) erreicht. Nach der Rennpremiere 2023 und dem ersten Lernjahr startete der Porsche 963 mit einem Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Daytona vielversprechend in die aktuelle Saison.

 

Porsche Turbo im Monoposto: bis zu 1.000 PS für die Formel 1

Traditionell liegt der Schwerpunkt des Porsche Motorsport auf Produktionsrennwagen und Rennprototypen. Mit eigenen Fahrzeugen und Turbomotoren sowie als Motorenlieferant für Partnerteams trat Porsche gelegentlich auch in den höchsten Klassen des Formelsports an.

 

Motor auf Elferbasis: fast ein Sieganwärter für Indy 500

1978 stellt Porsche die Weichen für die Teilnahme beim 500-Meilen-Rennen von Indianapolis im Mai 1980. Auf der Basis des wassergekühlten Sechszylinder-Boxermotors aus dem Porsche 935 entwickelt die Rennabteilung ein 2,65 Liter großes Triebwerk mit einem großen Turbolader. Auf dem Prüfstand entwickelt der mit Methanol betriebene Motor problemlos 665 kW (904 PS). Mit dem vom Veranstalter vorgeschriebenen Ladedruck von 1,8 bar sind noch immer 463 kW (630 PS) möglich. Erste Tests im eigens für das Indy-Projekt gezeichneten Chassis verlaufen 1979 sehr erfolgversprechend. Vier Wochen vor dem Start in die Rennsaison 1980 senkt der Veranstalter den zulässigen Ladedruck um 0,2 bar. Damit sind die Siegchancen des Projekts pulverisiert. Porsche verlässt die US-Bühne, die benzinbetriebene Version des Boxers lebt im siegreichen Porsche 936 fort.

 

TAG-Turbo „made by Porsche“: 1,5 Liter, 1.040 PS und drei WM-Titel

Im Oktober 1982 läuft auf einem Prüfstand in Weissach ein höchst kompakter, 150 Kilogramm leichter V6-Biturbomotor. Für das britische McLaren Formel-1-Team hat Hans Mezger das nur 1,5 Liter große Triebwerk konstruiert. Mezger setzt unter anderem auf vorher nie verwirklichte Kühlungsverfahren, neuartige Materialien, eine enorm niedrige innere Reibung und eine zukunftweisende Motorelektronik. Ab August 1983 auf den Grand-Prix-Kursen eingesetzt, leistet der TAG-Turbo „made by Porsche“ im Renntrimm anfangs um die 529 kW (720 PS), im letzten Jahr 1987 sind es 698 kW (950 PS). Für die Zeitenjagd im Qualifikationstraining gibt der Motor bis zu 765 kW (1.040 PS) ab. Als die Zusammenarbeit von McLaren und Porsche 1987 plangemäß endet, stehen 25 Grand-Prix-Siege und drei Fahrer-Weltmeisterschaften in der Erfolgsbilanz.

 

Indy, die Zweite: wenig Glück in Nordamerika

Noch während der TAG-Turbo „made by Porsche“ in der Formel 1 erfolgreich läuft, beginnt 1986 die Arbeit an einem im Haus konstruierten Monoposto mit einem ebenfalls in Weissach entwickelten und gebauten V8-Einzelturbo-Methanolmotor. Porsche plant die Teilnahme in der US-amerikanischen CART-Serie mit dem 500-Meilen-Rennen von Indianapolis als Höhepunkt der Saison. Der 2,65-Liter-Motor gibt Ende 1986 auf dem Prüfstand 493 kW (670 PS) ab, im Oktober 1987 startet der Indy-Porsche Typ 2708 erstmals in der CART-Serie. Die erwarteten Erfolge stellen sich – auch nach dem Wechsel auf ein britisches Chassis und einer Leistungssteigerung bis auf 551 kW (750 PS), nicht ein. Porsche steigt 1990 aus der CART-Serie aus, die Rennabteilung arbeitet zu diesem Zeitpunkt bereits an einem neuen Saugmotor für die Formel 1.

 

Die Transaxle-Sportler: Turbo auch für Vierzylinder-Reihe

Im frühen Jahr 1976 beginnt der Verkauf des neu entwickelten Porsche 924. Die Transaxle-Bauweise des Sportwagens mit dem vorne liegenden Vierzylinder-Reihenmotor und dem an der Hinterachse platzierten Getriebe gewährleistet eine für das Handling vorteilhafte Gewichtsverteilung. 1979 präsentiert Porsche den 924 Turbo, der ein Jahr später unter der Bezeichnung 924 Carrera GT erfolgreich in Le Mans debütiert. Dank Turbolader und Ladeluftkühler leistet der Vierzylinder-Reihenmotor bei einem Hubraum von zwei Liter 276 kW (375 PS). Der beste 924 Carrera GT beendet das Rennen auf dem überragenden sechsten Gesamtrang. In der nordamerikanischen SCCA-Meisterschaft fährt der Turbo-Sportler zu 25 Siegen.

1981 folgen weitere Transaxle-Premieren: Für den Breitensport entstehen verschiedene Rennversionen des 924 bis hin zum 276 kW (375 PS) starken 924 GTR. In der Deutschen Rallyemeisterschaft startet der frisch gebackene Weltmeister Walter Röhrl auf einem für ihn gefertigten Einzelstück, dem 924 Carrera GTS Rallye. Die 184 kW (250 PS) des Zweiliter-Turbomotors reichen Röhrl für vier Gesamtsiege. Unter der Tarnbezeichnung 924 GTP Le Mans fährt ein Prototyp des neuen Porsche 944 bei dem 24-Stunden-Rennen an der Sarthe auf Gesamtrang sieben. Sein 2,5-Liter-Vierzylinder-Turbomotor gibt 301 kW (410 PS) ab. Erstmals kommt in dem Reihenmotor eine vollelektronische Kraftstoffeinspritzung zum Renneinsatz.

Mit dem 944 Turbo Cup beginnt 1986 die Erfolgsgeschichte der Porsche Markenpokale. An den Start rollen seriennahe und technisch identische 944 Turbo Cup Coupé. Die 2,5-Liter-Turbomotoren leisten 162 kW (220 PS) bei einem Fahrzeuggewicht von 1.280 Kilogramm. Riesige Starterfelder und spannende Sprintrennen erweisen sich als Erfolgsrezept. Bald gilt der 944 Turbo Cup als glänzende Nachwuchsschule. Das Konzept der Porsche Markenpokale – sie werden seit 1990 mit seriennahen Rennausführungen des Porsche 911 ausgetragen – ist bis heute eines der erfolgreichsten im Breitenmotorsport.

Der Porsche 968 Turbo RS bereichert ab 1993 als Vertreter der letzten Generation der Vierzylinder-Transaxle-Sportwagen die internationalen Starterfelder. Je nach Reglement leistet sein Dreiliter-Turbomotor zwischen 248 und 257 kW (337 bis 350 PS).

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